Im Interview: Prof. Dr. Wolfgang Eisenmenger, Vorsitzender der Ethikkommission bei der LMU München, erläutert die Aufgaben einer Ethikkommission und deren Blickwinkel auf Forschungsprojekte, die mit Biomaterialproben mit einem Broad Consent arbeiten.
Wie sind die Aufgaben einer Ethikkommission definiert?
Das Arzneimittelgesetz bzw. das Medizinproduktegesetz und die dazu ergangenen Verordnungen, die Good Clinical Practice-Verordnung (GCP-V) und die Medizinprodukte klinische Prüfungs-Verordnung (MPKPV) schreiben der Ethikkommission einen klaren Handlungsauftrag zu.
Die GCP-V definiert die Ethikkommission wie folgt:
“Ethikkommission ist ein unabhängiges Gremium aus im Gesundheitswesen und in nicht-medizinischen Bereichen tätigen Personen, dessen Aufgabe es ist, den Schutz der Rechte, der Sicherheit und das Wohlergehen von betroffenen Personen … zu sichern und diesbezüglich Vertrauen der Öffentlichkeit zu schaffen, indem es u.a. zu dem Prüfplan, der Eignung der Prüfer und der Angemessenheit der Einrichtungen sowie zu den Methoden, die zur Unterrichtung der betroffenen Personen und zur Erlangung ihrer Einwilligung nach Aufklärung genutzt werden, und zudem dabei verwendeten Informationsmaterial Stellung nimmt.”
Über diese Aufgaben hinaus berät die Ethikkommission die Antragssteller in wissenschaftlichen und rechtlichen Fragestellungen.
Wie wird man Mitglied einer Ethikkommission?
Das Gesundheitsdienst- und Verbraucherschutz-Gesetz in Bayern (GDVG) sowie die EU-Verordnung schreiben die Zusammensetzung der Ethikkomission vor. Gemäß GDVG muss die Ethikkommission aus mindestens 5 Mitgleidern und einer angemessenen Zahl von Stellvertretern bestehen, und interdiszilplinär besetzt sei. Ein Mitlgied sollte Jurist mit Befähigung zum Richteramt sein, ein weiteres Mitgleid durch wissenschaftliche oder berufliche Erfahrung auf dem Gebiet der Ethik in der Medizin ausgewiesen sein. Mindestens 3 Mitglieder sollen klinisch tätige Ärzte sein, und 1 Mitglied soll über Erfahrung auf dem Gebiet der Versuchsplanung und Statistik sowie der theoretischen Medizin verfügen.
Abweichend von dem für Bayern geltenden GDVG, sieht die EU-Verordnung vor, dass an der Bewertung mindestens ein Laie teilnimmt.
Unter welchen Aspekten bewerten Sie Forschungsprojekte, die mit Biomaterialproben mit einem Broad Consent arbeiten?
Sofern der Broad Consent unter der Maßgabe erteilt wurde, dass die Biobanken ausschließlich wissenschaftlich und nicht kommerziell arbeitet, ist sicherzustellen, dass diesem Anliegen Rechnung getragen wird. Proben können dann nicht im Rahmen eines Transfer-Antrags an pharmazeutische Unternehmen bzw. profitorientierte Organisationen weitergegeben werden, auch dann nicht, wenn die Universität von diesem Transfer finanziell profitieren würde. Zudem können nur Biobanken zustimmend bewertet werden, die sich vorab verpflichten, dass sie jedes zukünftige, noch nicht näher bestimmbare Forschungsprojekt, bei der für den Forscher zuständigen Ethikkomission zur Beratung vorlegen. Eine weitere zwingende Kondition ist, dass mindestens eine Doppelkodierung der Proben vorgenommen wird, die für diese zukünftige Forschung gelagert werden. Proben und Daten aus der Biobank, die an Drittländer weitergegeben werden, deren datenschutzrechtlicher Standard nicht dem deutschen entspricht, dürfen nur in anonymisierter Form weitergegeben werden.
Für manchen Forscher ist die Beantragung eines Ethikvotums eine lästige Formalie: mit welchen Argumenten würden ihn überzeugen, dass es ein sinnvoller Schritt ist?
Auch wenn die Ethikkommission nicht abschließend rechtlich verbindlich z. B. die Einteilung vornehmen kann, ob ein Forschungsprojekt den Spezialanforderungen des Arzneimittelgesetztes unterliegt oder nicht, so ist eine Beratung darüber für viele Kollegen sehr hilfreich. So werden vielfach Fragen umformuliert oder Ziele neu definiert um sicherzustellen, dass das Forschungsprojekt nicht unter die Anforderungen des Arzneimittels fällt. Des Weiteren sind die Fragen bzw. die Anregungen der Ethikkommission, z. B. zum Design oder zum Umgang mit Confoundern/Vermeidung von Bias etc. Anlass, das Forschungsprojekt aus dem Blickwinkel der Ethikkommission zu betrachten und letztendlich zu verbessern und zumindest irritierende Formulierungen klarzustellen.
Nicht zuletzt bietet das positive Votum der Ethikkommission dem Forscher eine erhöhte Chance, seine Arbeit in einem hochrangigen Journal zu publizieren.